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Genossenschaftliche Unternehmensnachfolge

Drei junge Kolleginnen und Kollegen stehen redend auf Bürofläche zusammen.
BWGV

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Der Frage der Unternehmensnachfolge muss sich jeder Geschäftsführer irgendwann stellen. Aber auch mit zeitlichem Vorlauf findet sich oftmals keine zufriedenstellende Lösung. Ursachen hierfür sind unter anderem der demografische Wandel, wirtschaftliche Rahmenbedingungen mit steigendem Konkurrenzdruck für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie die geänderten Ansprüche an die Gestaltung der persönlichen Lebensumstände – junge Menschen wollen sich zum Teil der Verantwortung einer Selbstständigkeit nicht mehr aussetzten oder sie sehen ihre berufliche Zukunft beispielsweise in der Gründung eines Start-ups.

Die beliebteste Nachfolgevariante – eine familieninterner Nachfolge – nahm mit Beginn der Corona-Krise an Bedeutung deutlich zu und hat sich seitdem auf hohem Niveau gehalten. Vor der Krise zogen zirka 45 Prozent der Unternehmensleitungen mit Rückzugsplänen die Übergabe an ein Familienmitglied in Betracht. Im Jahr 2020 sprang der Anteil auf 61 Prozent. Aktuell wünschen sich 57 Prozent der Altinhaber mit einem aktuellen Nachfolgedanken, das Unternehmen in die Hände eines Familienangehörigen zu legen (KfW Research 2024).

Der Studie von KfW Research (2024) zufolge sollen im Durchschnitt jährlich bis Ende 2027 rund 125.000 mittelständische Unternehmen im Zuge einer Nachfolge übergeben werden. Bei der Suche nach den Gründen für Unternehmensschließungen von KMU lassen sich vor allem zwei Hauptursachen identifizieren, die für rund die Hälft der Stillegungen anzuführen sind. Zum einen ist das Erreichen des Rentenalters der Inhabenden ein Ursache, zum anderen ist das fehlende Interesse von Familienangehörigen an der Übernahme ein gewichtiger Grund für Unternehmensaufgaben.

Bei externen Nachfolgen hingegen sind Herausforderungen wie zum Beispiel Informationsasymmetrien, bürokratischer Aufwand und Zeitbedarf sowie Verhandlungen einschließlich Kaufpreisermittlung zu meistern. Die Nachfolge durch Beschäftigte des Unternehmens ist laut KfW Research derzeit noch deutlich weniger im Fokus der Befragten (28 Prozent).

Genossenschaft als Nachfolgemodell

Die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft (eG) bietet dafür einen zukunftsfähigen Lösungsansatz. Die Unternehmensübergabe im Rahmen einer Genossenschaftsgründung folgt dabei den üblichen Vorgaben des Genossenschaftsgesetzes: Mindestens drei Personen übernehmen das Unternehmen und zeichnen sich gemeinsam für dessen Erfolg verantwortlich. Die Finanzierung des Kaufpreises bei der Übergabe wird durch die Verteilung auf mehrere Schultern für die potenziellen Gründungsmitglieder deutlich leichter realisierbar. Unter der Prämisse einer zeitlich definierten Teilhabe des bisherigen Eigners am Umsatz des Unternehmens besteht zudem die Möglichkeit, einen vergleichsweise geringen einmaligen Kaufpreis zu vereinbaren. Auch in sozialer Hinsicht bietet die genossenschaftlich geregelte Unternehmensnachfolge Vorzüge. So kann der bisherigen Unternehmensführung die Chance eines schrittweisen Rückzugs eröffnet werden, beispielsweise als Mitglied des Aufsichtsrats der eG oder als Berater für das Unternehmen in einem Angestelltenverhältnis. Auch für die neuen Unternehmer bringt diese Herangehensweise Vorteile mit sich. Sie können vom Erfahrungsschatz des ehemaligen Geschäftsleiters profitieren. Und natürlich ist der Erhalt der eigenen Arbeitsplätze als positiver Aspekt anzuführen. Darüber hinaus ergeben sich in finanzieller Hinsicht diverse Vorteile.

Da eine Übernahme oder Nachfolge, trotz des Interesses, oftmals an fehlendem Kapital scheitert, kann man mithilfe einer besseren Förderung der Mitarbeiterbeteiligung abhelfen. Das Genossenschaftsmodell schließt Finanzierungsschwierigkeit großteils aus, hat aber auch weitere Vorzüge für Mitglieder und Geschäftsführer:

  • die Auszahlung einer zeitlich befristeten Dividende an den bisherigen Eigentümer als Teil der Ablösesumme ermöglicht mehr Flexibilität im Hinblick auf die Liquidität zum Übernahmezeitpunkt
  • Mitglieder entscheiden gemeinsam über den Einsatz des investierten Kapitals, der Vorstand trifft die geschäftsführenden Entscheidungen
  • die Haftung der Genossenschaft ist beschränkt, eine Nachschusspflicht wird in der Regel ausgeschlossen
  • Neueintritte und Austritte sind dank des variablen Genossenschaftskapitals ohne Notar oder Registergericht möglich
  • Dividenden können zur Ansparung weiterer Genossenschaftsanteile eingesetzt werden
  • Überschuss kann in die Weiterbildung der Mitglieder investiert werden


Insgesamt erlaubt die Genossenschaft einen langfristig planbaren, sukzessiven Übergangsprozess, welcher dem Unternehmen und den Mitarbeitenden entgegenkommt.

Die Genossenschaft bietet als Rechtsform die Möglichkeit einer demokratischen Mitwirkung aller Beschäftigten und ermöglicht daher ein modernes Unternehmens- und Organisationsverständnis.

Zusammengefasst sind folgende Vorzüge besonders hervorzuheben:

  • Bisherige Mitarbeitende können gemeinsam die Nachfolge antreten, ihre finanziellen Möglichkeiten bündeln und ihre Arbeitsplätze erhalten – nach dem genossenschaftlichen Motto „Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele“.
  • Es kann ein vergleichsweise geringer einmaliger Kaufpreis kombiniert werden mit einer zeitlich definierten Teilhabe des bisherigen Eigners am Umsatz des Unternehmens.
  • Es besteht die Möglichkeit eines langsameren Rückzugs für den ausscheidenden Unternehmer, beispielsweise als Mitglied des Aufsichtsrats der Genossenschaft.

Nachfolgelösungen in unterschiedlichen Branchen

Erste Erfahrungen mit genossenschaftlich organisierten Übergaben sind vielversprechend und zeigen, dass sich das genossenschaftliche Modell als interessante Perspektive für das Mittelstandsland Baden-Württemberg etablieren könnte. Dies hat sich auch schon bei der Umsetzung in realen Unternehmen beispielsweise des Handwerks und der IT-Branche sowie bei Architekturbüros gezeigt. Gerade bei letztgenannten Unternehmungen steht oft der Wunsch nach gleichberichtigter Gestaltungsfreiheit im Vordergrund.

Genossenschaften können eine Win-win-Situation für alle Seiten schaffen: die Mitarbeitenden, den bisherigen Inhaber und die Kunden. Eine frühe Einleitung des Prozesses bietet die Chance die potenziellen Nachfolger (zum Beispiel aus dem eigenen Unternehmen) umfassend auf die neuen Aufgaben vorzubereiten. Fachliche Unterstützung bietet – neben der genossenschaftsspezifischen Beratung durch den BWGV – unter anderem das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Baden-Württemberg. Das Faltblatt Unternehmensnachfolge gibt neben allgemeinen Informationen auch Auskünfte über Nachfolgemoderatoren und die Nachfolgebörse „nexxt-change“. Zudem stehen die Industrie- und Handels- ebenso wie die Handwerkskammern mit Rat und Tat bereit.

Der Fortbestand mittelständischer Unternehmen in der Rechts- und Unternehmensform einer eG wird auch von politischer Seite unterstützt, da Genossenschaften aufgrund ihrer nachhaltigen und langfristig angelegten Orientierung wertvoll für die Stabilität der Wirtschaft sind. Parallel zu Nachfolge-Gründungsanfragen werden zunehmend Genossenschaftsgründungen als Zusammenschluss einzelner (Handwerks-)Betriebe angefragt, um Kräfte beispielsweise in Bezug auf Verwaltung, Einkauf und Personalplanung zu bündeln. Konkrete Maßnahmen der Politik, um diese positive Entwicklung weiter zu unterstützen, sollten unter anderem eine stärkere Integration der eG in die Gründungs-/ Nachfolgeinformationen und die staatliche Förderung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung im Rahmen von Unternehmensnachfolgen sein.

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